Rolf Bernzen
Die praktische und theoretische Konstitution des Modellverfahrens.
Ein Beitrag zur Frühgeschichte der neuzeitlichen Wissenschaft.
Frankfurt, Bern, New York 1986
Das Modellverfahren als Instrument wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung hat in den letzten Jahrzehnten ständig an Bedeutung gewonnen. Die vorliegende Untersuchung versucht eine Verbindung von Modelltheorie und Methodengeschichte des Modellverfahrens. Die Entwicklung der Arbeit mit Modellen wird hierbei als realhistorischer (methodischer und methodologischer) Bewußtwerdungsprozeß verstanden und im Kontext seiner historischen Entwicklung und deren theoretischer Reflexion analysiert. Als zentraler rnethodengeschichtlicher Zusammenhang werden hierbei die Problemlösungsarbeit mit Modellen in der italienischen Baupraxis des 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts (am Beispiel von S. Maria del Fiore in Florenz) und die theoretische Verallgemeinerung in der Praxis entwickelter Problemlösungsstrategien mit Modellen in der Architekturtheorie der Frührenaissance untersucht.
Im Kapitel 1 (S. 1 - 39) wird eine Darlegung des methoden- und modelltheoretischen Untersuchungskontextes gegeben, in den die nachfolgende historische Untersuchung integriert ist. Gleichzeitig wird die Fragestellung abgeleitet, präzisiert und differenziert und das terminologische Instrumentarium vorgelegt.
In Kapitel 2 (S. 40 -150) werden erste nachweisbare Problemlösungsprozesse mit Hilfe von Modellen in der italienischen Baupraxis des 14. und 15. Jahrhunderts anhand der Bauakten von Santa Maria del Fiore in Florenz und deren spektakulärem Kuppelwölbungsprojekt analysiert und hier die sich über verschiedene Planungsphasen entwickelnde Arbeit mit Modellen mit verschiedenen Erkenntnisinteressen zu einem relativ stabilen handhabbaren Verfahren praktischen Problemlösens herausgearbeitet. Diese Entwicklungen stehen in engstem Zusammenhang mit durchgreifenden ökonomischen, sozialen und bewußtseinsmäßigen Wandlungsprozessen, die als komplexe Bedingungs- und Voraussetzungskontexte wirksam werden.
In Kapitel 3 (S.151 - 243 ) wird das Aufgreifen solcher Formen methodischen Problemlösens in der Architekturtheorie der Frührenaissance (Mitte des 15. Jahrhunderts) untersucht. Der sich hier vollziehende Prozeß der Herauslösung des Verfahrens aus einem primär praktisch bestimmten Kontext, die Einbindung in wissenschaftliche Kontexte und die Herausarbeitung wesentlicher modelltheoretischer Zusammenhänge geschieht anhand der Analyse der architekturtheoretischen Werke von L.B. Alberti und Antonio Averlino (Filarete).
Im Kapitel 4 (S. 244 - 269) wird eine wissenschaftsgeschichtliche Einschätzung, Würdigung und Einordnung der untersuchten Zusammenhänge in den Herausbildungsprozessen der neuzeitlichen Wissenschaft versucht und das theoretische Anknüpfen der Architekturtheorie der Renaissance an die für die Herausbildung des Verfahrens auf der Ebene praktischer Tätigkeiten konstitutiven ideologisch-leitkonzeptionellen und kollektiv prädispositionellen Bedingungen aufzuzeigen versucht. Der hier durch den Zusammenhang von praktischer und theoretischer Verfahrenskonstitution charakterisierte methodentheoretisch konstitutive Zusammenhang muß in seiner Grundstruktur als für die historische Genese vieler Methoden und Methodologien der neuzeitlichen Wissenschaft typisch betrachtet werden.
Die
Untersuchung wurde 1983 am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und
Philosophie der Philipps-Universität Marburg als Dissertation angenommen und noch im gleichen Jahr als
Manuskriptdruck verbreitet. Die eigentliche Veröffentlichung erfolgte 1986 im Verlag Peter Lang, Fankfurt,
Bern, New York.
Ab 1986 war das Buch nicht nur im Buchhandel erhältlich und in Buchhandels-Katalogen vertreten, sondern auch
in den wichtigsten Bibliotheken der Welt zugänglich, z.B. ab Mai 1987 im Bestand der Library of Congress vorhanden und in deren Katalog (NUC) ausgewiesen
oder ab November 1986 in der Bibliothek des Britischen Museums (BM),
der Deutschen Bücherei in Frankfurt, der Deutschen Bücherei in Leipzig, der Bibliothek des Deutschen Museums in München etc. etc..
Ein wissenschaftlicher Nachtrag (kaum zu glauben, aber wahr)...
Die Aktualität des Themas und die Plausibilität meiner Ergebnisse wurden 1994 durch die Untersuchung von
Andreas Lepik: Das Architekturmodell in Italien 1335 - 1550 -
scheinbar völlig unabhängig - noch einmal eindrucksvoll bestätigt und wie folgt gewürdigt:
„Erst nach Abschluß meines Manuskriptes“, schreibt Lepik auf Seite 3 in Anmerkung 9, „stieß ich auf
die Untersuchung von Rolf Bernzen: Die praktische und theoretische Konstitution des Modellverfahrens. Ein
Beitrag zur Frühgeschichte der neuzeitlichen Wissenschaft, (Diss. Marburg 1983) Frankfurt- Bern New York
1986. Aus einem wissenschaftsgeschichtlichen Ansatz heraus untersucht der Autor die Rolle des Modells für die
Verfahrenskonstitution. Überraschenderweise greift Bernzen dafür zum großen Teil auf das gleiche
Quellenmaterial wie ich zurück und kommt - aus einem methodentheoretischen Ansatz - zu ähnlichen
Schlüssen...“
Bei der Arbeit Lepiks handelt es sich um die Veröffentlichung einer Dissertation, die 1990 von der Philosophischen Fakultät der Universität Augsburg angenommen wurde,
erschienen als Veröffentlichung der Bibliotheca Hertziana
(Max-Planck-Institut) in Rom (Hrsg. Ch. L. Frommel und M. Wimmer) in der Wernerschen Verlagsgesellschaft
in Worms 1994.
Rolf Bernzen
Die praktische und
theoretische Konstitution des Modellverfahrens.
Ein Beitrag zur Frühgeschichte der neuzeitlichen Wissenschaft.
[Verlag Peter Lang Frankfurt, Bern, New York 1986
[Europäische Hochschulschriften, Reihe XX, Philosophie, Bd. 169, 436 Seiten]
ISBN 3-00-005964-4
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